ZIELE UND FORDERUNGEN
Das Netzwerk will die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Stadt Freiburg und den Gemeinden der Landkreise voranbringen. Ziel ist eine Bewusstseinsänderung, die Behinderung nicht mehr als individuell gegebenes Problem sieht. Vielmehr entsteht Behinderung erst durch die Interaktion mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die Betroffene an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hindern (vgl. Artikel 1 Satz 2 UN-BRK).
Aus diesem Grund soll ein inklusives Gemeinwesen entwickelt werden, dass die Menschen in ihrer Vielfalt akzeptiert und durch den Abbau von Barrieren die gleichberechtigte Teilhabe in sämtlichen Lebensbereichen ermöglicht. Dazu leistet das Netzwerk intensive Öffentlichkeitsarbeit, um die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Unterstützt wird das Ziel, zu einem grundsätzlichen Perspektivwechsel auf allen gesellschaftlichen Ebenen beizutragen, durch inhaltliche Arbeit in Arbeitsgruppen, die konkrete Konzepte und Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Lebensbereiche entwickeln. Dabei stehen für das Netzwerk nicht mehr segregierende Fürsorgekonzepte, sondern die uneingeschränkte Teilhabe im Mittelpunkt, getreu der seit vielen Jahren vorgetragenen Forderung der internationalen Behindertenbewegung:
„Nothing about us, without us“ / „Rien sur nous, sans nous“ /„Nichts über uns, ohne uns“.
Positionen im Bereich Schule
- Eine quartiersnahe inklusive Beschulung wird gefordert. Die Kommune muss einen Plan entwickeln, um in allen Schulen inklusive Beschulung zu ermöglichen.
- Schulen, die bereit sind Inklusion umzusetzen, sollen anderen Schulen beratend zur Seite stehen.
- Bei Bedarf soll einem Kind eine Schulbegleitung zur Seite gestellt werden. Dies soll unabhängig von der Art der Behinderung gelten.
- Fachkräfte sollen durch erfahrene Kollegien begleitet werden.
- Unabhängig vom Staatlichen Schulamt/Regierungspräsidium sind Fortbildungen zum Umgang mit Inklusion für Erzieher_Innen und Lehrer_innen aller Schularten auch durch das regionale Bildungsbüro notwendig.
- Für viele Kinder sind nach wie vor Sonderschulen notwendig, da sie auf kleine Klassen und reizarme Umgebung angewiesen sind (Wunsch- und Wahlrecht soll erhalten bleiben).
- Schaffung einer niederschwelligen zentralen Ansprechstelle der Stadt („Wegweiser Inklusion“) zu Freizeit, Bildung und anderen Bereichen:
Eine Aufgabe einer solchen Stelle kann die Erstellung einer differenzierten Aufstellung an Anlaufstellen mit Adressen und Kontaktdaten zur Veröffentlichung z.B. im Internet sein. Hier könnte das Netzwerk Inklusion zuarbeiten. - Vereinfachung der Finanzierung des sehr komplexen Hilfssystems (Dieses Anliegen geht zwar primär in Richtung der Sozialgesetzschreibung. Allerdings gibt es bereits Kommunen wie Pforzheim oder den Enzkreis, die eine solche Lösung unabhängig von der Sozialgesetzgebung bereits umgesetzt haben und hier als Vorbild dienen können.)
- Die Stadt sollte sich dafür einsetzen, dass Schulleiter_innen die Möglichkeit bekommen, das Personal auszuwählen: Dadurch können sie gezielt Kolleg_innen an die Schule holen, die das Konzept der Inklusion mittragen. Die Umsetzung dieser Forderung muss auch mit dem staatlichen Schulamt und dem Regierungspräsidium besprochen werden. Außerdem sollte den Schulleitern ein finanzielles Budget („Inklusionsbudget“) zur Verfügung stehen.
- Angemessene Betreuung der Kinder mit Behinderung nach dem Unterricht. Hierzu braucht es passende Unterstützung.
- Strukturen schaffen, die Jugendliche nach dem Schulabschluss auf dem Weg zu einer Ausbildung begleiten. Bei jungen Menschen mit Handicap verzögert sich dieser Übergang häufig.
POSITIONEN IM BEREICH KITA
Sensibilisierung für Inklusion beginnt in der Kita. Die gesellschaftliche Bedeutsamkeit der Kitas als erste außerhäusliche Institution in Bezug auf die Entwicklung funktionierender Inklusion und Selbstverständlichkeit von Heterogenität sollte mehr ins Bewusstsein rücken.
Fort-/Weiterbildungen. Kitas in öffentlicher und privater Trägerschaft sollen Hilfestellung bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion erhalten. Dies kann durch Fortbildungen, z.B. zum Thema „Inklusive Konzepte“, „Inklusive Pädagogik“ etc. geschehen. So können durch Information und Diskussion Unsicherheiten und Ängste abgebaut, sowie Konzeptionen für die jeweilige Einrichtung erarbeitet werden. Es sollte die Möglichkeit einer externen Prozessbegleitung geben.
Es reicht nicht aus, die bisherigen Teams aus Erzieherinnen fortzubilden, es braucht multiprofessionelle Teams auch mit Fachkräfte mit heilpädagogischen Kenntnissen/Ausbildung. Statt „Einzelfälle“ zu fördern entstehen durch eine entsprechende Finanzierung Inklusion begünstigende Strukturen.
Modellkitas sind geeignet, den Übergang zu einer möglichst wohnortnahen Betreuung zu unterstützen.
POSITIONEN IM BEREICH FREIE ZEIT
- Kooperation mit (Sonder-)Schulen, Organisation / Finanzierung von Fahrdiensten z.B.: Einrichtung macht inklusives Angebot Tierfütterung und Kochen am Feuer für SchülerInnen der Schule Günterstal im Rahmen des offenen Programms. Um den SchülerInnen die Teilnahme zu ermöglichen müsste ein Fahrdienst von Günterstal in innerstädtische Quartiere organisiert und finanziert werden (ermöglicht gemeinsame freie Zeit).
- Etablierung inklusiver Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit/inklusiver Freizeitmöglichkeiten in jedem Stadtteil z.B. barrierefreie Spielplätze, naturnahe Erholungsstätten, durch
- Kontakt zu den Bürgervereinen suchen
- Berücksichtigung in Stadtteilleitlinien
- Kontakte mit Vereinen (z.B. Sport, Musikvereine), die Angebote im Bereich Freie Zeit machen, initiieren.
- Öffnung von Altersbegrenzungen / Zugangsflexibilität
- Starre Altersbegrenzungen für Gruppen machen mit Blick auf Kinder / Jugendliche mit Entwicklungsverzögerung oder Handicap nicht immer Sinn. Wünschenswert wäre, dass Anbieter die Altersbegrenzungen flexibel gestalten könnten und würden.
- → keine Ausnahmeregelungen für ein bestimmtes Kind, sondern Zugangsflexibilität generell verankern (gesetzliche Bestimmungen müssen im Vorfeld geprüft werden).
- Sozial-/ heilpädagogisch begleitete Freizeitangebote für Jugendliche im Alter ca. 13 – 16 Jahren
- Für ältere Kinder und Jugendliche ist es sehr schwer, Freizeitangebote und Ferienangebote zu finden, die von sozialpädagogischen oder heilpädagogischen Fachkräften so begleitet werden, dass Jugendliche mit ihren Schwierigkeiten Anschluss finden und integriert werden.
- Zeitbudget für die Umsetzung der Inklusion in den Einrichtungen vorsehen Hauptamtliche pädagogische Fachkräfte mit einem Zeitbudget für Einbindung und Schulung der Mitarbeiter_innen/ Praktikant_innen mit Handicap bereitstellen, sodass Assistenz in guter Weise erbracht werden kann. Hierzu muss Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden.
- Den Einrichtungen ist entsprechendes Know-How zur Verfügung zu stellen, um umfassende Barrierefreiheit – eine grundlegende Voraussetzung - zu garantieren.
POSITIONEN DER AG KINDER, JUGENDLICHE UND BILDUNG
Präambel
Die folgenden Forderungen, die sich auf Menschen mit Behinderungen beziehen, sollen keine Konkurrenzsituation zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen schaffen. Vielmehr soll die vorhandene Vielfalt der Menschen wahrgenommen und berücksichtigt werden. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss für alle Menschen gewährleistet sein. Sensibilität muss dafür entwickelt werden, dass Personengruppen bei der Inklusion nicht vergessen werden (z.B. Menschen mit einer seelischen oder psychischen Behinderung, von Armut bedrohte Menschen etc.).
Auch im Zuge des geforderten Bürokratieabbaus, sollen Hilfen „aus einer Hand“ angestrebt werden, d.h. Zuständigkeiten sollen im Sinne der Betroffenen vereinheitlicht werden.
Zudem sollte Schulen, Kitas und Trägern von Freizeitangeboten ein Budget zur Umsetzung der Inklusion zur Verfügung gestellt werden. Dadurch kann auf spezifische Situationen und Bedarfe besser reagiert werden. Auf diese Weise wird das Interesse der Träger unterstützt, sich mit den Herausforderungen der Inklusion auseinanderzusetzen.
Wünschenswert ist ein ‚Inklusionsbudget‘ für jede Einrichtung, die Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf betreut, d.h. die Förderung soll sich nicht am Einzelfall orientieren (Beispiel: Münchener Förderformel). Andererseits muss es einen Indikator geben, anhand dessen man den Bedarf für das Budget feststellt.
Inklusion bedient Vielfalt. Zu dieser Vielfalt gehört, dass es ein großes, breitgefächertes Angebot gibt, über dass der Einzelne schnell die Übersicht verlieren kann. Hier braucht es eine zentrale Anlaufstelle, die Beteiligte an die entsprechenden Stellen verweist. So können Zuständigkeiten niederschwellig geklärt und Angebote vermittelt werden.
Eine Grundforderung für alle Bereiche berührt den Kern von Inklusion: Angebote sollen grundsätzlich für alle Menschen offen stehen. Dies kann erreicht werden durch eine Ergänzung der bereits bestehenden Freizeitangebote und des schulischen Bildungsangebotes. Die Angebote sollen die Verwirklichung von Inklusion fördern. Um den Paradigmenwechsel zu unterstützen kann die Stadt Förderrichtlinien entsprechend anpassen.
Um Inklusion zu verwirklichen braucht es die Vermittlung von Wissen über inklusive Konzepte und Strategien der Umsetzung. Macht sich eine Einrichtung, Schule etc. auf den Weg inklusiv zu werden, sollte sie durch eine externe Prozessbegleitung / Supervision begleitet werden. Dies sollte von der Kommune unterstützt werden. Die Zeit, die hierfür wie auch für Fortbildungen aufgebracht werden muss, soll als Arbeitszeit angerechnet werden.
Unabhängig von den einzelnen Forderungen sind generell angemessene Mitbestimmungselemente für die Partizipation der Betroffenen zu verankern (bessere Ergebnisse, Vermeidung von Fehlplanungen). Die Betroffenen sollen ermutigt und motiviert werden zu partizipieren und sich aktiv zu beteiligen.
Insgesamt wird eine stärkere Unterstützung durch das Land gefordert. Dies betrifft die Ausstattung mit personellen und finanziellen Ressourcen, Fortbildungen im Bereich Inklusion sowie Supervision und Prozessbegleitung.
Ggf. finden sich diese Anmerkungen in den einzelnen Bereichen wider, sie scheinen jedoch für die Realisierung von Inklusion von so zentraler Bedeutung zu sein, dass sie auch an dieser Stelle gesondert benannt werden.